MONBIJOU UND DIE LIEBE

Das Monbijoutheater erreichte eine wunderbare Eloge von Klaus S. Neumann, der die Premiere am 24. Juni 2023 sah:

 

Es war angerichtet!

Der Himmel über Berlin hätte nicht italienischer sein können. Die an das Monbijou Theater angegliederte Pizzeria, die offenen Weine am Ausschank und das fleißig konsumierende Publikum taten ihr Übriges. Das farbenprächtige Ensemble war bereits vor Beginn des Stückes im Gewimmel der platzsuchenden Menschen einer komplett ausverkauften Veranstaltung zu sehen. Das schlicht gehaltene Bühnenbild, welches durchaus dem Charakter einer Taverna entsprach und der unvermeidliche Geräuschpegel innerhalb dieser authentischen Holzkonstruktion sorgten für das richtige Ambiente. Das zentrale Thema des Abends sollte, so wurde es angekündigt, die Amore sein. Es sprach nichts dagegen einen wunderbaren Abend des Dolce Vita zu genießen.

Alles hätte so schön werden können …

Als dann aber Mirandolina gleich zu Beginn mit dem Publikum eine Wette einging und behauptete, sie würde einen gewissen Cavaliere, einen ausgemachten Frauenhasser, „umkehren“ oder platt formuliert: flachlegen, da ahnte ich, dass das Ende der romantischen Welt bevorstand.

Ob nun der Marchese, ein verarmter und ewig schmarotzender Landadeliger, oder der Conte, der glaubte sich mit seinem Reichtum alles erlauben zu können, um das Herz der Wirtin warben oder ob Fabrizio, Mirandolinas treuer Mitarbeiter im Gasthof, der mit Nichts und kindlicher Träumerei seine Chefin für sich gewinnen wollte, alle hatten die Rechnung ohne die kluge und stolze Italienerin gemacht. Diese schien aber ebenso wenig der wahren Amore verschrieben. Schließlich galt es ihre Wette zu gewinnen. Der ausgelotete Preis war immerhin PIZZA. Es galt sich also ins Zeug zu legen. Als dann später im Stück, der Cavaliere vor ihr kniend Poesie rezitierte, glaubte ich im Publikum unterschiedliche Reaktionen zu entdecken. Viele schienen stolz auf Mirandolina zu sein. Und einige beschämt über das Versagen ihres Geschlechtsgenossen. [Waren die Zuschauer etwa ein Spiegelbild der aktuellen politischen Situation im Lande? In dem Parteien mit frauenverachtenden Parolen zweistellige Wahlergebnisse erreichen?].

Währenddessen hatte Fabrizio einen Plan ausgeheckt. Als er zwei Komödiantinnen kennenlernte schlug er diesen, in deren eigenem Interesse, vor, sich an den Marchesen und den Conte heranzumachen. (Und so seine Widersacher aus dem Weg zu räumen). Der gesamte Prozess, der Versuch der Verwandlung der beiden in Baronessa und Contessa war einer der vielen Höhepunkte dieses Stückes. Oder genauer gesagt: der Version und Interpretation des Monbijou Ensembles. Die beiden Schauspielerinnen erfanden für ihre Rollen sogar eine neue Sprache. Eine Mischung aus Italienisch und Fantastisch. Also gewissermaßen Italiastisch.

Warum diese beiden Figuren in „offiziellen“ Rezensionen der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte, in Meinungen von Experten als „Beiwerk“, als „Füllsel“ oder als „dramaturgisch funktionslos“ bezeichnet werden, wird mir ein Rätsel bleiben. Oder das Geheimnis des Monbijou Teams wie sie das Gegenteil bewiesen haben.

Das Stück endet so, wie es sein Autor vorgesehen hat. Mirandolina brennt mit Fabrizio durch, standesgemäß, der sie dann mit einer Vespa über die Bühne kutschiert. Ein langer, minutenlanger Applaus der Zuschauer zeigt deutlicher als es hier beschrieben werden kann, wie herausragend die Darbietung und Interpretation waren. Die Monbijou Schauspieler, Techniker, Schreiberlinge etc. waren wieder einmal (!) großartig.

ABER: wenn die Bretter, die die Welt bedeuten, eine Abbildung der Gesellschaft sind, dann bleibt ein trauriges Arrivederci zurück. Arrivederci, amore. Denn bei Betrachtung dieser Charaktere, ihrer Egoismen, berechnenden Verhaltensweisen, ihrer Lügen und Betrügereien, wenn das also der Weg zur Amore ist, dann möchte ich mir zukünftig einreden, dass das Theater eben nicht die Spiegelung der Realität ist.

Und bei all diesen Bösartigkeiten der Personen, darf man den Allerschlimmsten nicht vergessen. Für mich definitiv der Direktor. Er hatte den beiden Komödiantinnen nicht erlaubt mitzuspielen. Nur dank der List von Fabrizio gelang es, beide auf die Bühne einzuschleusen. Das Publikum wird ihm ewig dankbar sein.

Es ist schlicht unmöglich alle Höhepunkte des Abends aufzuzählen. Und jede Bühnenperson einzeln zu loben, würde Seiten füllen. Alle waren faszinierend und besonders. Man möchte keine/n von euch im Stück vermissen.

Warum aber ausgerechnet MONBIJOU?

Die Truppe ist in jeder Hinsicht, auf und hinter der Bühne, Extraklasse in der Improvisation. Die Einbindung des Publikums sorgt jedes Mal für unvorhergesehene Lachsalven. Egal wie streng das Drehbuch ist, die Schauspieler scheren sich nicht darum. Und hierin liegt vielleicht der Schlüssel dessen, dass das anfängliche Versprechen gehalten wurde. Es würde an dem Abend um AMORE gehen. AMORE der Monbijou Menschen für ihr Publikum. Und AMORE des Publikums für ihre Monbijou Menschen.